[Bücherhamstern 2021]: Folge 3 – Mairisch Verlag

Eigentlich war dieser Beitrag für den Indiebookday von vor zwei Wochen gedacht, denn es bietet sich ja an, genau den Verlag vorzustellen, der diesen Feiertag der unabhängigen Verlage initiiert hat. Nun also heute, zu diesem erneut besonderen Ostersonntag 2021, gibt es diesen Text für euch. Wir haben Daniel Beskos angefragt, ob er uns ein wenig aus der Vergangenheit zum Verlag erzählen kann. Er hat uns dann in Erinnerung gerufen, dass vor zwei Jahren zum Zwanzigjährigen Jubiläum eine große fünfteilige Serie zur Geschichte des Verlags auf dem verlagseigenen Blog erschienen ist. Mit freundlicher Genehmigung von Daniel präsentieren wir euch einen Ausschnitt aus dem ersten Teil dieser Serie. Am Ende verlinken wir euch noch den kompletten ersten Teil, wo ihr dann auch die ganze Geschichte des Verlags bis zum Jahr 2019 nachvollziehen könnt. Wie gewohnt bei dieser Serie, wartet am Ende noch eine Gewinnspielfrage auf euch, bei dem ihr ein Buch aus dem aktuellen Frühjahrprogramm gewinnen könnt.

20 JAHRE MAIRISCH – TEIL 1: THE EARLY YEARS (1996-2002) – Textauszug

Von Peter Reichenbach und Daniel Beskos

Freundinnen, Freunde!

Wir sind selbst etwas ungläubig – 20 Jahre gibt es den mairisch Verlag jetzt schon! Am 31. August 1999 sind wir (Blanka Stolz, Peter Reichenbach, Daniel Beskos) zum Gewerbeamt im südhessischen Rodgau gelaufen, schick angezogen, mit seltsamen Frisuren und einer Flasche Sekt und haben mairisch angemeldet. Wie es dazu überhaupt kam und was in den 20 Jahren alles passiert ist, wollen wir hier in unserer Blogserie erzählen. Wir haben tief in unseren Archiven gewühlt und jede Menge lustige Fotos, Flyer, Plakate und Videos ausgegraben. Viel Spaß!

Der „Club der lebenden Dichter“ (1996-1998)

Wie fangen diese Kinofilme immer an? „Es war der erste Tag der Sommerferien, und es schien, als läge eine ganze Ewigkeit vor einem. Eine Ewigkeit, die angefüllt sein würde mit endlosen Abenden am See, Fahrten entlang der Maisfelder durch den warmen Sommerwind und der Gewissheit, dass dieser Sommer niemals enden würde.“

Der Sommer entwickelte sich tatsächlich zu einer kleinen Ewigkeit. Vor allem Daniel, der gerade sein Abitur hatte, konnte sich auf viele freie Monate freuen, sein Zivildienst würde erst im Winter beginnen, und wie es danach weitergehen würde, war noch völlig unklar. Wir hingen viel im Jugendclub „Das Häuschen“ im Nachbardorf Hainstadt rum. Hier konnte man nach der Schule immer Leute treffen, konnte im Bandkeller proben, Tischtennis spielen oder einfach helfen, das ganze Gelände instandzuhalten. Im Sommer organisierten wir zusammen kleine (Punk)-Festivals, fuhren große Mengen Bier in der „Fegro“ kaufen und halfen auch mal den örtlichen Jusos beim Plakateaufhängen.

Wir, Peter und Daniel, hatten bei der Geburtstagsfeier einer Freundin den Plan gefasst, eine Band zu gründen und trafen uns in Peters Kellerzimmer zum Proben. Allerdings endeten die Treffen regelmäßig in wilden Kochsessions, dazu gab es süßen, griechischen Rotwein – und wir lasen uns vor, was wir im Verlauf der Woche selbst geschrieben und gelesen hatten: Songtexte, Gedichte und Texte von anderen Autoren, Kerouac, Kling (Geschrebertes Idyll war unsere Hymne), Brinkmann, Bernhard. Nachdem wir Burroughs im tollen ACID (herausgegeben von Rolf Dieter Brinkmann und Ralf-Rainer Rygulla) entdeckt hatten, experimentierten wir viel mit Schreibmaschine und Schere. Ginsbergs Howl druckte Daniel sich aus (14 Seiten!) und hängte es an seine Wand.

Die Erfahrung, wie langweilig es kurz zuvor bei der Lesung von Friederike Mayröcker im Frankfurter Literaturhaus gewesen war (was definitv nicht an ihr lag, sondern am Veranstaltungsformat), wie blutlos und leer uns die Literatur der Gegenwart erschien (wir kannten allerdings auch kaum was), trieb uns vorwärts. Wir wollten eine Literatur schaffen und finden, die stark und mutig vom Jetzt erzählt. Wir entdeckten die Social-Beat-Bewegung, waren begeistert von Autoren wie Robsie Richter und Kersten Flenter, die eine Literatur von unten propagierten. Wir standen auf der Frankfurter Buchmesse und regten uns über die Buchpreise für schmale Lyrik-Heftchen auf. Das musste doch auch anders gehen!

Im Herbst 1996 gab es in unserem Heimatort Rodgau ein sogenanntes Veranstaltungs-Radio (Radio EAR), also einen Radiosender, bei dem jeder mitmachen konnte und der nur für etwa eine Woche auf Sendung war. Wir bewarben uns mit einem Sendungskonzept aus Literatur und Musik („Club der lebenden Dichter“), erhielten tatsächlich einige Sendeplätze und legten los. Äh, wie macht man eigentlich eine Radiosendung? Man quatscht einfach drauf los, legt alle paar Minuten Punksongs oder Hamburger Schule auf und liest zwischendurch Texte vor oder unterhält sich mit Autorinnen und Autoren. Das Event-Radio kam im Ort super an, dauernd riefen Freunde im Studio an und sagten: „Ich hör euch!“ Manchmal riefen auch Leute an, die wir gar nicht kannten. Legendär ist folgende Anekdote: Ein Typ kontaktierte uns in der Sendung, er war völlig fertig, seine Freundin hatte sich gerade von ihm getrennt. Jetzt wollte er sie ein letztes Mal grüßen, wünschte sich dazu einen superdepressiven Song und verabschiedete sich dann pathetisch. Wir machten uns natürlich sofort Sorgen – was würde jetzt mit ihm geschehen? Doch wenige Minuten später hatten wir seine Freundin am Apparat, die die Sendung ebenfalls gehört hatte und ihn erreichen wollte – sie wollte nicht, dass er sich etwas antat und verzieh ihm. Happy end, live im Radio! We were on fire.

 [….] 

MAIRISCH (ab 1999)

A propos Verlagshaus: Die Verlagsgründung selbst war so spontan, dass wir heute kaum noch sagen können, warum wir das eigentlich gemacht haben. Wahrscheinlich war es einfach der nächste logische Schritt in unserem Projekt „Arrogant und unerfahren“. Peter rief Daniel im Urlaub an und sagte: „Hier, Dienstag, Gewerbeamt, alles klar?“ An dieser Stelle als official info für alle Nachmacher: Man zahlt pro Person ca. 20 Euro, füllt ein paar Formulare aus, dann ist man eine GbR. Der ganze Stress kommt erst später.

Und Startkapital hatten wir übrigens nie. Wir drei haben jeder fünfzig Mark in die Kasse getan, dann kamen noch ein paar Honorarspenden rein, das war alles, was jemals reinfloss. Von da an musste sich der Verlag aus sich selbst heraus finanzieren. Warum das klappte, wissen wir bis heute nicht so genau.

Der mairisch Verlag war 1999 dann mit Peter und Daniel nach Marburg umgezogen (und hatte als zweites Headquarter Leipzig, wo Blanka wohnte) – von unseren WG-Zimmern aus planten wir die Literatur-Weltherrschaft, naja. Allerdings mussten wir zwischendurch dann doch wieder in die Uni, aber zum Glück ja auf Magister – damals hatte man wirklich unendlich viel Zeit für alles Mögliche. Fast jedes Wochenende waren wir zu Lesungen unterwegs, in Köln, Leipzig, Freiburg oder Hannover, und außerdem erschienen die ersten offiziellen mairisch-Titel mit Lyrik, Prosa und Hörspiel, alles natürlich made at copyshop:

In der Zwischenzeit hatten wir uns probeweise ein Vierspur-Aufnahmegerät geliehen und schrieben ein Hörspiel übers Abhauen und Unterwegssein: „W-Ort“. Durch einen Zufall konnten wir das Ganze dann nochmal in der Wiener Uni in einem professionellen Studio neu aufnehmen, veröffentlichten es dann auch auf CD und reichten es bei verschiedenen Hörspielwettbewerben ein – der 1. Platz beim Leipziger Hörspielsommer bescherte uns eine seltsame Siegertrophäe und eröffnete uns einen ersten Einblick in die freie deutsche Hörspielszene, die sich später in unseren „pressplay“-Anthologien wiederfinden sollte. Hier Fotos von den Tagen im Studio in Wien – 14 Stunden am Tag konzentriert an einem Text zu arbeiten, war wirklich ein der besten Erfahrungen überhaupt:

Wir waren also jede Woche irgendwo unterwegs, nur in Marburg gab es für den Verlag nicht viele Möglichkeiten, öffentlich wahrgenommen zu werden. Wir wollten in eine Großstadt. Bald war der Plan gefasst: Auf nach Hamburg! Und dann ging das Abenteuer erst richtig los.

Alle Folgen dieses amüsant und spannend zu lesenden Verlagsvorstellung findet ihr auf dem Blog des Verlags. Einfach auf den Verlag klicken und ihr gelangt auf den Verlagsblog und die Präsentation zum Zwanzigjährigem Jubiläum: Mairisch.

Gewinnspiel

Natürlich gibt es auch in der dritten Folge unserer kleinen Buchhamsterreihe ein Buch zu gewinnen. Wer die folgende Frage richtig beantwortet, kann ein Exemplar des Buches Hey, Hey, Hey, Taxi! von Sasa Stanisic und Katja Spitzer gewinnen (wir organisieren noch, ob vielleicht sogar signiert). Um dieses Buch zu gewinnen müsst ihr einfach folgende Frage beantworten:

Wieviel Startkapital hatte der Mairisch Verlag zur Gründung zusammen?

Das Gewinnspiel läuft bis zum 09.04.2021 18:00Uhr. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Gewinnerin oder der Gewinner wird mit einem Verfahren unserer Wahl ausgelost. Viel Glück.

Und zu guter letzt haben wir dem Gründungsmitglied Daniel Beskos noch die fünf Fragen gestellt, die wir im Zusammenhang mit der Aktion Bücherhamstern 2021 an jeden Verlag richten.

Seit wann gibt es euren Verlag?

Wir haben 1996 als Schüler*innen mit Lesungen angefangen und 1999 den Verlag gegründet.

Was macht euch aus? Was sind eure Spezialitäten?

Hm, ich glaube Innovation und Vielseitigkeit, würde ich sagen. Wir haben ein sehr kleines, aber dafür sehr breites Programm – von Musik bis Belletristik, von Graphic Novel bis Sachbuch, von Kinderbuch bis Hörspiel, alles absolute Herzensangelegenheiten, aber für den Handel manchmal etwas verwirrend.

Eure Geheimwaffe(n), um zu überleben?

Wir sind Sparfüchse! Und wir hängen uns bei jedem Titel voll rein.

Was sind eure Highlights aus dem bisherigen Verlagsleben?

Ui, zu viele! Die TRANSIT-Lesungen in den 00er-Jahren, die Erfahrungen rund um den Indiebookday, die Verlagsreisen in andere Länder, die tolle Zusammenarbeit mit unseren Künstler*innen, die wunderbaren Auszeichnungen, unser super Team. Wer es ausführlich haben wir will, kann unseren Jubiläumsblog lesen: 20 Jahre Mairisch (Link ist weiter oben schon eingefügt).

Warum muss man ausgerechnet eure Frühjahrsnovitäten lesen?

An Sasa Stanisics „Hey, hey, hey, Taxi!“ (illustriert von Katja Spitzer) kommt man aktuell kaum vorbei, glaube ich. Genauso wild, anarchisch und schön illustriert ist auch der abgedrehte Einschlafreim „Schlafen wie die Rüben“ von Dita Zipfel und Finn-Ole Heinrich, illustriert von Tine Schulz. Und in „Philosophinnen“ von Rebecca Buxton und Lisa Whiting werden endlich mal relevante Frauen in der ansonsten von Männern dominierten Philosophiegeschichte vorgestellt.

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