[Indiebookday 2022]: Wie wir in Zukunft den Begriff Indie definieren

Unterschiedliche Definition – Was ist eigentlich Indie?

Wenn es um das Thema der unabhängigen beziehungsweise der Indie-Verlage geht, scheiden sich oft die Geister. Fragt man 10 Menschen, erhält man sicher mindestens 15 verschiedene Antworten, die vermeintlich zeigen, welche Kriterien ein Verlag erfüllen muss, um als “Indie” beziehungsweise “unabhängig” zu gelten. 

Um für uns eine Antwort darauf zu finden, möchten wir die Begriffe “Indie” und “unabhängig” separat voneinander betrachten. Während im Wort „unabhängig“ quasi per Definition schon der wichtigste Punkt vorgegeben ist (nämlich das eigenständige Handeln), muss das bei dem Wort „Indie“ nicht unbedingt der Fall sein. 

Wir wollen den Indiebookday nutzen euch ausnahmsweise keine Bücher vorzustellen, sondern euch vielmehr unseren aktuellen Standpunkt darlegen, wie wir das Wort „Indie“ in unserem Blognamen in der Zukunft definieren und ausleben wollen. 

Eine Übernahme brachte uns ins Grübeln

Letztes Jahr ging eine „Erschütterung“ durch die kleine, aber meist heile Welt der unabhängigen und Indie-Buchverlage. Der Kampa Verlag, seines Zeichens erst vor einigen Jahren selbst als größerer unabhängiger Verlag an den Start gegangen, hat die Verlage Jung&Jung und Schöffling aufgekauft. Bei Schöffling war von längerer Hand geplant, das Verlagsschiff in ruhige Fahrwasser zu bringen und so ist der von Klaus Schöffling gegründete Verlag unter das Dach von Kampa gesegelt. Auch bei Jung&Jung wurde sich nach einem neuen Zuhause umgesehen und dieses bei Kampa gefunden.

Wenn man es streng sieht, sind innerhalb von einer Woche durch den Zusammenschluss, gleich drei Verlage aus unserem Portfolio der unabhängigen Verlage geflogen, die wir euch eigentlich immer gerne ans Herz gelegt haben. “Unabhängig” sind die Verlage nicht mehr unbedingt, insbesondere wenn man bedenkt, welche (monetären) Mittel dahinter stecken, innerhalb weniger Tage gleich zwei recht bekannte Verlage zu übernehmen. Wie also mit dieser Situation umgehen? Wir wollen aber den Teufel nicht an die Wand malen und sehen es ähnlich,  wie es auch der Verleger Daniel Kampa in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung Ende 2021 dargelegt hat (klick). Es geht bei dem Zusammenschluss vor allem darum, die bestehenden Ressourcen und Netzwerke gemeinsam zu nutzen, um stärker aus Krisen hervorzugehen, anstatt sich alleine gegen alle Widerstände abzustrampeln. 

Wie wird unabhängiges Verlegen überhaupt definiert?

Doch rollen wir das ganze Feld erst einmal von hinten auf. Was ist denn nun nach engen Kriterien eigentlich ein unabhängiger Verlag? Dazu lohnt es sich, auf die Seite der Kurt-Wolff-Stiftung zu schauen, die einen recht umfangreichen Katalog anbieten, an den man sich bei dieser Frage orientieren kann. Besonders die folgenden Punkte einer Definition für einen „unabhängigen Verlag“ können von Leser*innen leicht überprüft werden:

  • Er muss konzernunabhängig sein
  • Er muss ein allgemeines Programm aus den Bereichen Literatur und Sachbuch haben und darf    
  • Er darf kein Druckkostenzuschussverlag sein   
  • Er muss ein regelmäßig erscheinendes Programm haben    
  • Er soll eine nennenswerte Produktion haben (mindestens 4 Titel pro Jahr) und mindestens zwei Jahre am Markt sein    
  • Er muss seine Bücher mit einer ISBN versehen    
  • Er soll eine professionelle Auslieferung haben    
  • Er muss bei den Barsortimenten vertreten sein    
  • Er muss über eine Website verfügen

Durch den ersten Punkt fallen selbstverständlich direkt alle Verlage raus, die zu Konzernen wie Bonnier (Ullstein, Piper und Carlsen u.a.), Random House (btb, Luchterhand und Manesse u.a.) oder Holtzbrinck (Rowohlt, Droemer Knaur, Kiepenheuer & Witsch und S. Fischer) gehören. Diese machen sicher gute Programme, aber der Geldwert und Marktdruck, der dahinter steht, ist um einiges größer als bei kleinen und mittelständischen Verlagen. 

Indie? Unabhängig? Ja, was denn nun? Und warum spielt Geld dabei eine Rolle?

Doch es gibt auch Verlage, die unabhängig von Konzernen arbeiten, jedoch bei weitem keine Indies sind. Würden euch da sofort welche einfallen? Hier kann man Verlage wie Hanser, Suhrkamp oder Diogenes nennen, die nicht zu großen Verlagskonzernen gehören. Doch sind diese Verlage deswegen Indie? Das wohl eher nicht und hier kommt ein Kriterium der Kurt-Wolff-Stiftung zum Tragen, welches sich nicht immer so leicht überprüfen lässt:

  • Der Verlag muss einen Jahresumsatz haben, der unter 5 Mio. Euro liegt

Wie lässt sich dieses Kriterium überprüfen? Wir im Team haben jedenfalls keine verlässliche Möglichkeit gefunden, wie man den Umsatz auf einem einfachen Weg ermitteln kann. Zwar bietet der Buchreport ein Ranking der “100 größten Verlage” mit Umsatzangaben an, dort finden sich aber naturgemäß hauptsächlich Konzernverlage, von den bekannteren „Indie-Verlagen“ ist in diesen Dimensionen natürlich weit und breit keine Spur.

Synergien sind die Zukunft – dem wollen wir uns nicht verschließen

Wie also nun umgehen mit solchen Zusammenschlüssen, wie dem von Kampa Ende 2021 oder auch der Bedey Media GmbH (hierzu gehören Verlage wie Größenwahn, Dryas, acabus oder Kadera)? Wie diese Verlage in unser Portfolio aufnehmen, wenn sie doch nach den etwas „strengeren“ Maßstäben keine unabhängigen Verlage sind? Nun, da wir mit unserem Blognamen nicht unbedingt auf „unabhängige“, sondern vielmehr auf „Indie-Verlage“ abzielen, möchten wir diese Zusammenschlüsse nicht von vornherein ausschließen und lieber beobachten, wie sich der Markt und die Verlage entwickeln. Hierzu hat die Bedey Media Group ganz treffend formuliert:

„Vielfalt durch Gemeinschaft ist das Motto unserer belletristischen Verlage. Wir vereinen unter dem rechtlichen Dach der Bedey & Thoms Media GmbH elf Belletristik-Verlage. Jeder davon besetzt eine klare Nische und fördert im Rahmen dieser Nische literarische Neuentdeckungen und neue Themen in diesem Bereich. Jede Nische für sich wäre zu klein zum Existieren, gemeinsam ist es möglich. Jeder der Verlage ist aus den Bedürfnissen der Leser heraus gewachsen und durch die Synergien der rechtlichen Gemeinschaft kann jeder weiterhin seinem Programm nachgehen.“

Und genau so wollen wir es auch bei uns in Zukunft handhaben und diese Zusammenschlüsse nicht von vornherein ausschließen. Vielmehr sehen wir genau den Punkt, der in diesem Zitat wie ein rotes Leuchtfeuer aufflackert und schon so manchem kleinen Verlag in der Vergangenheit das Genick gebrochen hat. Es geht darum, Kräfte zu bündeln, um neben den großen Spieler der Branche zu bestehen und zu überleben. Viele kleine Verlage haben das in der Vergangenheit nicht geschafft, weil sie den Zeitpunkt verpasst haben, Verlagsnachfolger*innen aufzubauen oder das Geld knapp geworden ist. Gerade die Corona-Pandemie wird die Lage in vielen Klein- und Kleinstverlagen verschärfen und sicherlich wird es noch einige Häuser treffen, die es womöglich in ein, zwei Jahren nicht mehr geben wird. Vielleicht können Zusammenschlüsse die Rettung für einige kleine Verlage sein, damit sie nicht das Schicksal von Verlagen wie dem A1-Verlag, Topalian & Milani oder binooki teilen müssen, die es durch verschiedene Gründe in den letzten Jahren getroffen hat. 

Zum Abschluss möchten wir euch dieselbe Frage stellen, die auch uns umtreibt: Wie definiert ihr “Indie”? Würdet ihr Bücher aus Verlagszusammenschlüsse wie bei Kampa nicht mehr zu den Indiebooks zählen? Oder seht ihr das etwas freier, so wie wir das in Zukunft handhaben wollen?

Im Folgenden findet ihr noch weitere Seiten, die sich ebenfalls mit dem Thema unabhängige Verlage beschäftigen:

5 Kommentare zu „[Indiebookday 2022]: Wie wir in Zukunft den Begriff Indie definieren

Gib deinen ab

  1. Wichtige Ergänzungen und nützliche Definitionen, denn aus meinen eigenen Community-Gesprächen stellt sich heraus, dass viele mit dem Begriff „indie“ gar nicht so viel anfangen können.
    Bei Interesse, ich habe das Phänomen „indie“ und die Wichtigkeit des unabhängigen Lesens auch vor Kurzem auf YouTube besprochen:

    Liebe Grüße!

    Gefällt 1 Person

  2. Ich finde die Sache mit dem Programm interessant. Weil damit so ziemlich ALLE Kleinverlage rausfallen – für die es sich einfach nicht lohnt, Programme drucken zu lassen.

    Durch meine freie Mitarbeit bei einem Kleinverlag bin ich da gerade über das Thema gestolpert. Wir mussten jetzt, um uns bei einer Messe zu bewerben, ein Programm erstellen. Das kostete eine Menge Zeit und Nerven, die ein Ein-Personen-Verlag sehr oft schlicht nicht hat, und aus der Vergangenheit wissen wir, dass das monetär ein Griff ins Klo ist, das Programm dann auch noch gedruckt auf Vorrat zu halten. Von Umweltschutzüberlegungen ganz abgesehen.

    Für deutsche Kleinstverlage gibt es da einen Zwischenschritt. „Schöne Bücher“ sammelt die Neuerscheinungen aus einer Menge Kleinverlagen und fasst sie zu einem Gesamtprogramm zusammen. Aber die nehmen eben ausschließlich deutsche Verlage auf, österreichische oder schweizer Verlage werden abgelehnt, obwohl sie im selben Sprachraum arbeiten, und oft Deutschland als Hauptzielland beliefern.

    (Und ‚Literatur‘ ist ja auch was, worüber man sich streitet. Viele im Bereich Feuilleton, sowie viele Messen, verstehen darunter ja nur Belletristik und ignorieren, dass alle anderen Genres natürlich auch Literatur sind, nur potenziell keine E-Lit – wobei selbst die Einteilung Humbug ist, an dem nur Deutschland festhält und dafür weltweit belächelt wird.)

    Also … Da sind gleich zwei Punkte drin, die so ziemlich alle Verlage, die ich gerne lese, für euch als nicht Indie definieren, obwohl oft nur eine einzige Person den ganzen Verlag schmeißt, und der Umsatz deutlich unter der Millionenmarke liegt. Finde ich schade.

    Gefällt 1 Person

    1. Hier müssen wir uns aber mal kurz rechtfertigen, denn eigentlich sind die Punkte, die im Beitrag genannt werden, hauptsächlich durch die Kurt-Wolff-Stiftung vorgegeben, an denen wir uns zwar natürlich orientieren aber ganz sicher nicht starr festhalten.

      Uns war vor allem ein Anliegen, wie wir in Zukunft Verlagszusammenschlüsse, Aufkäufe untereinander und damit Vergrößerungen für uns bewerten und ob wir solche Verlage weiterhin vorstellen möchten oder ob diese aus unseren Betrachtungen herausfallen.

      Nach unten zu den Klein- und Kleinstverlagen sind natürlich keine Grenzen gesetzt. Und auch wenn wir uns an den Vorgaben der Stiftung orientieren, heißt das ja nicht, dass wir als Blogbetreiber daran starr festhalten müssen. Und ich glaube, dass hier oder auf anderen Kanälen von uns schon oft bewiesen wurde, dass wir auch ganz kleinen Verlagen eine Bühne geben, die sie sonst kaum haben, eben weil sie nicht die Mittel für Werbung, Programme etc haben. Sofern wir von diesem wissen, das steht dann natürlich außer Frage.

      Gruß
      Marc im Namen des gesamten Teams

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