Krimi-Noir im Wilden Osten

Mit der Dschungel von Budapest von Jerome P. Schäfer ist im Transit Verlag ein Krimi Noir erschienen, der in titelgebenden Budapest Anfang der Neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts spielt. In diesem Buch geht es um den Detektiv Tamas Livermore der einen lukrativen Auftrag erhält. Doch mit diesem eigentlich als lohnenswert erscheinenden Deal gerät er zwischen die Fronten aus verschiedenen Mafiabanden und korruptem Polizeiapparat. Schafft er es aus dieser Spirale der Gewalt wieder heraus zu kommen?

Im Osten geht es zu wie im wilden Westen

Tamaś ist als Wachposten bei einem Marathon in Budapest eingeteilt. Es ist das Budapest Anfang der 90er Jahre und Anschläge und Schießereien an öffentlichen Plätzen sind hier an der Tagesordnung. Mafia und Polizei überbieten sich mit Gewalt und Gegengewalt und Korruption ist in dieser Stadt kein Fremdwort. Auch bei diesem Marathon wird mit einem Anschlag gerechnet, der dann auch eintritt. Ganz in der Nähe von Tamas‘ Posten explodiert eine Bombe und er muss sich um die Läufer kümmern, dass sie an einen sicheren Platz geleitet werden.
Dieser Anschlag ist nur eine Ouvertüre auf einen viel exklusiveren Fall, der Tamaś auf eine Fährte stößt, die einem Skandal gleicht und einige Leute in mächtigen Positionen in ordentlich Bedrängnis führen könnte. Tamaś Livermore ist ein Halb-Ungar und lebte in Amerika, kehrte aber in seine Heimat Budapest zurück, um hier sein Geld als Privatdetektiv zu verdienen. Ehemals war er Profiboxer, doch diese Zeiten sind schon lange Geschichte. Einzig mit Istvan verbindet ihn noch etwas mit den alten Zeiten als Boxer. Das Geld sitzt bei seinem Job immer knapp, da er sich von Auftrag zu Auftrag hangelt. Da kommt ihm ein neuer Auftrag seitens des Anwalts Béla Doi gerade recht, ihn und seine Frau nebst Tochter beiseite zu stehen und, sollte dem Anwalt etwas geschehen, Frau und Tochter zu einem guten Freund zu schaffen, dem Einzigen, den Béla Doi vertraut. Dafür soll er auch sehr gut bezahlt werden, aber natürlich erst gegen Ende des Auftrages. Mit der Anzahlung jedoch und der Aussicht auf das große Geld nimmt Tamaś den Auftrag an.
Natürlich muss es so kommen, dass der Anwalt durch einen Anschlag ums Leben kommt und nun steht Tamaś mit der Frau und dem Kind da. Doch er hält sich nicht an die Abmachung, die beiden sofort in das abgemachte Quartier zu bringen, vielmehr wittert er eine noch größere Spur und will dieser nachgehen und deckt dabei einen Skandal auf, der nicht für seine Augen bestimmt ist. Damit lockt er die falschen Leute auf seine Fährte und sein Auftrag und sogar sein Leben sind in großer Gefahr.

Die Stadt mit rauhem Charme

Dieses Buch spielt kurz nach der Wende in Ungarns Hautpstadt Budapest und diese Wild-West- Stimmung, die in dieser Zeit geherrscht haben muss, fängt der Autor in dem Buch geschickt auf. Vieles wirkt hier vogelwild, die Stadt und der Staat von Korruption zerfressen und die Mafia beziehungsweise die geschmierten Polizisten haben alles im Griff. Da tritt der eigentliche Plot um Tamaś Livermore vor dieser ganzen Kulisse mehrfach in den Hintergrund, ist die eigentliche Handlung vielmehr die Stadt selbst und was in diesem brodelnden Hexenkessel alles geschehen kann. Vielmehr geht es hier auch um die raue Atmosphäre, die diese Zeit bietet und die der Autor mit diesem Buch wiedererlebbar gemacht hat. Keine ehrbare Figur ist hier dabei, alles wirkt eher deprimierend, düster und aussichtslos ob der angespannten Situation in der Stadt und dem ganzen Land.
Sprachlich ist das alles wunderbar umgesetzt. Insbesondere die Hauptfigur Tamaś, die man sich die ganze Zeit mit Hut und Trenchcoat vorstellt, wirkt sehr glaubhaft geschrieben. Ebenfalls ist die Stadt sehr detailgetreu beschrieben, vielleicht ist es manchmal der Straßennamen und Beschreibungen bestimmter Plätze zu viel, aber man meint dadurch Budapest wie seine Westentasche zu kennen, mehrfach ist man kurz davor eine Straßenkarte von Budapest hervorzuholen, um die Hetzjagden durch die Straßen besser nachvollziehen zu können. Jedenfalls merkt man jeder Zeile dieses Buches an, dass der Autor in den Jahren, in denen auch dieses Buch spielt, diese Stadt selbst erlebt hat. Als Kind zwar, aber diese Eindrücke brennen sich meist schärfer ein als im Erwachsenenleben.

Mit „Der Dschungel von Budapest“ hat Jerome P. Schäfer wahrhaftig einen Krimi Noir alter Schule erschaffen, bei dem es vordergründig nicht unbedingt darum geht, einen Fall zu lösen, sondern vielmehr darum, die Stimmung der Stadt glaubhaft auf die LeserInnen zu übertragen. Der Titel kommt dabei nicht von ungefähr, denn die Stadt wirkt wahrhaftig wie ein Dschungel, wo die Starken die Schwachen fressen. Das er dazu noch einen spannenden Fall einflechtet und ebenfalls eine wahre Begebenheit einbringt, bei der die Mafia ihre Finger im Spiel hatte, ist dann noch das Sahnehäubchen auf diesem sehr interessanten Buch.

Jerome P. Schäfer
Der Dschungel von Budapest
Transit Verlag
144 Seiten
18 Euro

3 Kommentare zu „Krimi-Noir im Wilden Osten

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  1. Ein spannender Tipp! Ich habe Budapest hauptsächlich in den Nuller und 2010er Jahren kennengelernt und bin immer noch erstaunt, wie sehr sich die Stadt und das eigene Gefühl, wenn man dort durch die Straßen geht, unter Orbán verändert hat. Vielleicht liegt es auch am eigenen Erwachsenenwerden, aber zur Zeit von Gyurcsány stellte sich noch dieses „Dschungel“-Gefühl, wie es im Roman heißt, ein und man verstand sofort, warum die Stadt – neben Prag – immer wieder als Kulisse für amerikanische Filme ausgewählt wird, die auf der Suche nach europäischen Metropolen mit Geschichte sind. „Der Dschungel von Budapest“ scheint dieses Gefühl sehr intensiv aufzunehmen.
    Viele Grüße
    Jana

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