Literaturtheoretische Ausflüge in einer dystopischen Zukunft

Eine literaturtheoretische Schrift

Aus dem Gefängnis heraus sind schon wunderbare Dinge entstanden, wurden Aufstände herauf beschworen, Revolutionen angezettelt und Widerstände gegen Unbill aufgebracht. Auch in diesem Buch geht es um einen Aufstand im Kleinen. Es geht um einen Schriftsteller in Haft, der eine Art Essay schreibt, warum das Romanverbot denn zu begrüßen sei. Romanverbot? Schriftsteller im Gefängnis? Viele Fragen türmen sich auf und wir als Leser*innen freuen uns schon auf die Antworten. Jedoch ist das Buch ganz anders als gedacht und wirkt mehr wie ein Ausflug in tiefste literaturtheoretische Wissenschaften als eine Geschichte um einen Schriftsteller, der aus dem Gefängnis heraus versucht, seine Gedanken unter das Volk zu bringen. Es ist sehr anstrengend zu lesen, zumindest wenn man eine relativ erklärbare Geschichte erwartet. Der Nebel des Ganzen lüftet sich erst im letzten Drittel dieses schmalen Büchleins, zumindest ein bisschen. Doch schlauer sind wir nach der Lektüre leider immer noch nicht. Es fällt schwer, eine wirkliche Leseempfehlung zu diesem Buch herauszugeben. Es ist von der Aufmachung her und der Idee ein wirklich schönes Buch, aber inhaltlich liegt die Messlatte in diesem Fall zu hoch, um dieses Buch angemessen zu rezipieren, aber in Ansätzen zu verstehen, das ist trotzdem ein Versuch wert.

Dystopische Zukunft

In dieser Geschichte geht es um einen namenlosen Schriftsteller, der irgendwo in einem nicht näher definieren Ort im Gefängnis sitzt. Wie sich herausstellt, weil er Literat ist und sich selbst auf den Rat seiner Frau dahin begeben hat. Diese Geschichte spielt im Jahr 2036 und der unbekannte Autor schreibt an einen Essay, den wir nun zu lesen bekommen. In  diesem legt er dar, warum es richtig ist, dass Romane im ostperipheren Archipel verboten sein müssen. Dieses ostperiphere Archipel lässt sich anhand einiger Beschreibungen in diesen angeblichem Essay auf ein zukünftiges China zurückführen, wo der Schriftsteller lebte und verhaftet wurde. Romane und romanhafte Stücke wurden in diesem Land und in dieser Zukunft aus nicht geklärten Punkten verboten. Nach und nach schält sich trotz des begrenzten Raumes, in dem das Buch spielt, dass es mit der Welt, wie wir sie kennen, nicht mehr gut bestellt scheint. Zumindest aus der Sicht des Autors. Doch was bezweckt dieser sehr theoretische Exkurs in die Literatur und deren Handwerkszeug?
Im weiteren Verlauf wird deutlich, dass dem Autor nur gerade so ein paar Stücke Papier zugestanden werden, auf denen er seine Thesen niederschreiben darf und die vermeintlich gedruckt und publiziert werden. Doch werden sie das wirklich? Irgendwann kommt ein Wärter in des Autors Zelle und konfrontiert ihn mit der Tatsache, dass er trotz des Verbotes einen Roman verfasst und ernsthafte Konsequenzen zu befürchten habe, wenn er das wirklich umsetzt. Hier wird deutlich gezeigt, dass die Schriften von den Aufsichtspersonen in diesem Gefängnis gelesen werden und wohl auch vernichtet. Doch was wird damit bezweckt? Soll dem Autor etwas entlockt werden? Eine Art Eingeständnis? Oder ist es einfach nur bedeutungslos?

Ein kurioser Romanessay

Dieses Buch lässt sich nicht nebenbei lesen und es ist auch empfohlen, sofern man damit zurecht kommt, dieses mehr als einmal zu lesen. Wenn die Erwartungshaltung hinsichtlich dessen, dass es kein Roman ist, angepasst werden, kann dieses Buch auch anders gelesen und interpretiert werden. Es ist mehr ein theoretischer Exkurs in verschiedene Techniken des Schreibens und Arten von Texten und weniger ein Buch über eine dystopische Zukunft, die nur immer wieder angedeutet wird. Trocken trifft es wohl am ehesten bei diesem „Roman“. Man merkt dem Text auf jeden Fall seine ambitionierte Sicht an, auf irgendeine Weise eine Art verschwörerische Geheimbotschaft in die Zeilen und Zellen der Leidensgenossen des Autors zu bringen.

Geht man dieses Romanexperiment jedoch so an, dass ein Roman erwartet wird, bleiben die Möglichkeiten die in diesem Text womöglich stecken, einfach verschlossen. Wenn dazu noch der literaturtheoretische Hintergrund fehlt beziehungsweise die Ausbildung, dann ist man mir dieser Lektüre vollends aufgeschmissen oder sie langweilt gar. Jedoch ist es egal, von welcher Seite man das alles betrachtet, für ein größeres Publikum ist dieses Buch jedenfalls nicht gemacht. Vielmehr wird es sein Nische sicher finden und dort begeisterten Anhänger finden. Das große Publikum gehört da leider nicht dazu.
Doch was bewegt einen überhaupt, dieses Buch in Angriff zu nehmen? Es zu probieren? Zum einen ist das die Resonanz, die der Cass Verlag Jahr für Jahr mit seinen Werken erzeugt und so eine gewisse Anziehung an diese Bücher erzeugt und zum Anderen ist die Aufmachung des Buches dem Inhalt angemessen gestaltet und wirkt einfach nur gewohnt gut gemacht. Und auch die Ausgangslage eines dystopischen Chinas, was selbst die Künste unter seine Fittiche nimmt, zieht. Doch diese Begeisterung schlägraus eben genannten Gründen leider schnell in Ernüchterung um. Wir von unserer Seite können da nur sagen, probiert es aus, ob das Buch zu euch passt. Aus Gründen der Überforderung kann es aber schnell passieren, dass das Buch abgebrochen wieder im Regal landet. Aus Gründen, die gerade dargelegt worden, steht es also dem Rezensenten des Buches kaum zu, dieses zu empfehlen oder davon abzuraten.  Ihr müsst dann wirklich versuchen, selbst herauszufinden, ob dieser Titel zu euch passt.

Seit Iko
Das Romanverbot ist nur zu begrüßen
Aus dem Japanischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Jürgen Stalph
160 Seiten
22 Euro

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