von Marc (Lesen macht glücklich)
Kennt ihr das Buch „Der 35.Mai“ von Erich Kästner? Dieses völlig verrückte Buch mit völlig abgedrehten Begebenheiten? Ja? Dann dürftet ihr bei Floran L. Arnolds Buch „Die Wirklichkeit endet an der nächsten Ecke“, das im Axel Dielmann Verlag erschienen ist, genau richtig fühlen, wenn nicht sogar pudelwohl. Denn dieses Buch hat genau denselben verrückten Grundton im Gepäck und treibt es aber ordentlich auf die Spitze damit. Glaubt ihr nicht? Dann folgt einfach in das Kaninchenloch und lasst euch davon überzeugen.
Was? So? Aha! Nein, doch nicht!
Worum es genau in diesem Buch geht, bekommt man beim Lesen schon irgendwie mit. Im Großen und Ganzen dreht sich die gesamte Geschichte um ein Lexikon, worin das gesammelte Nichtwissen der gesamten Menschheit gesammelt werden soll. Von A wie … bis Z wie Ziehharmonika wird von verschiedenen Autoren alles zusammengetragen, was es an Nichtwissen auch nur zu sammeln gibt. Doch manch ein Autor dieses Lexikons übertreibt es ein wenig, sammelt unter ein- und demselben Begriff vieles zusammen oder es werden persönliche Befindlichkeiten hineingeschrieben, die in einem Lexikon eigentlich nichts zu suchen haben.
Klingt das noch normal für euch? Nun, das ist wohl so die einzige relativ normale Begebenheit, die hier zusammengefasst werden kann und die sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch zieht. Ansonsten? Selbst beim Autor dieser Besprechung sind da nur riesengroße Fragezeichen und daher an dieser Stelle keine weitere Inhaltsangabe mehr.
Ein forderndes Buch voller Tücken und Lücken
Wie eingangs schon gesagt, ist dieses Buch wirklich irre in seiner ganzen Komplexität. Allein wie der Autor diese Welt(en) aufbaut ist schon an sich einen Blick wert. Er betreibt einen enormen Aufwand, um diese völlig abgedrehten Begebenheiten, die sich einer schlüssigen und logischen Bewertung entziehen, irgendwie zusammenzuhalten und einen relativ logischen Unterbau zu geben. Da fällt einem das Dranbleiben oft nicht leicht, was auch durch die diversen Namensnennungen, die eine enorme Merkfähigkeit voraussetzen, weitestgehend erschwert wird. Auf der Seite des Verlags wird das Buch auch mit dem Stichwort beworben, dass dieser Roman ganz große Fabulierkunst sei. Und genau dieses Wort trifft es aufs genauste. Hier wird fabuliert bis die Tinte spritzt. Die einzige Grenze, die es einzuhalten gilt, ist das weiße Blatt Papier und selbst hier werden Grenzen verschoben, da das Format des Buches größer als gewöhnlich ist. An manchen Stellen ist es leider auch ein wenig zu viel der Fabuliererei, da wird sich sozusagen verfabuliert, der rote Faden geht verloren und alles löst sich in ein großes Wundersames Gebilde auf, was nur noch den Anschein einer zusammenhängenden Geschichte gibt. Doch dann werden alle losen Fäden wieder aufgesammelt und zu einem kräftigen Strick verwoben, der das gesamte Konstrukt am Ende doch noch zusammenknotet. So ist es insgesamt ein Werk geworden, dass einen Blick wert ist, auch wenn manches darin sehr seltsam und wirklich wahnsinnig verdreht klingt. Ja, es ist verrückt, ausufernd und sehr fantasiereich aufgeschrieben, aber ist auch ein Buch, was aus den gängigen Konventionen ausbricht und sich mit diesen vollends überwirft. Das ist nicht nur an dem Text an sich zu sehen, sondern auch an der Gestaltung des Textes, dem Drucksatz, den kleinen Gimmicks, die mit untergebracht sind und wahrhaft, und hier muss es wirklich mal gebraucht werden, kafkaesken Zeichnungen, die ein Markenzeichen des Illustrators Florian L. Arnold sind.
Betrachtet man das Buch „Die Wirklichkeit endet an der nächsten Ecke“ als gesamtes so bekommen alle Interessenten ein vor Fantasie strotzendes Werk in die Hände, dass durch seine Hand in Hand gehenden Kunstformen der Literatur, der Gestaltung, der Illustration und der Außenwirkung des Buches eine wahninnig tolle Ausstrahlung besitzt. Auf die eigentliche Geschichte, die einen wahrlich vor keine einfachen Aufgaben stellt, muss man sich wirklich und mit Haut und Haar einlassen, sonst werden Leser*in und Roman keine Freund*innen, nie im Leben nicht. Wer sich aber darauf einlässt bekommt die volle Ladung Fantasie ab und kann sich auf einen ordentlichen Trip in abstruseste Landschaften und originellste Aktivitäten gefasst machen. Letztendlich ist dieses Buch nicht richtig durch eine Besprechung greifbar, daher die Bitte: Lest es, lasst euch inspirieren und gesagt sein, dass der Titel des Buches Programm ist.
Florian L. Arnold
Die Wirklichkeit endet an der nächsten Ecke
Dielmann Verlag
232 Seiten
24 Euro
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