Am 10. Mai 1933 fand in Deutschland die sogenannte Bücherverbrennung statt, bei der Tausende von Büchern, darunter Werke von Autoren wie Heinrich Mann, Erich Kästner und Bertolt Brecht, von den Nationalsozialisten öffentlich verbrannt wurden. 90 Jahre später erinnern wir uns noch immer an diesen düsteren Tag und an die Auswirkungen, die er auf die Freiheit der Literatur hatte.
In diesem Kontext möchten wir die beiden Bücher „Polarrot“ und „Schmelzwasser“ des Schweizer Autors Patrick Tschan im Braumüller Verlag vorstellen. Obwohl sie erst 2012 bzw. 2022 veröffentlicht wurden, setzen sie sich auf ihre eigene Art und Weise mit dem Erbe der Bücherverbrennung auseinander.
Das Buch „Polarrot“ erfahren wir von dem gleichnamigen Farbton der nationalsozialistischen Fahne. Erzählt wird die Geschichte von Jack Breiter, der aus einer armen Schweizer Bauernfamilie stammt und sich als Heiratsschwindler und Handelsvertreter beim Chemiekonzern Gugy durchschlägt. Breiter wird zum Starverkäufer der Firma, als er dank des Reichsbeflaggungsgesetzes von 1935 Hektoliter um Hektoliter der Farbe „Polarrot“ für die Hakenkreuzfahne verkauft. Doch dann verliebt er sich in die Frau seines Chefs, einer Halbjüdin, und lässt sich auf ein riskantes Goldschmuggel-Unterfangen ein. Der Zufall greift sehr oft auf wundersame Weise in die Handlung ein, aber „Polarrot“ soll als Schelmenroman ein Stück Schweizer Geschichte vermitteln, die zu der Zeit noch schwierig „anzufassen“ war.
In „Schmelzwasser“ hingegen geht es um das große Schweigen nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Buchhändlerin Emilie Reber eröffnet nach ihrer Zeit in der Résistance im Jahr 1947 eine Leihbibliothek in einer Kleinstadt am Bodensee. Die gesellschaftlichen Verkrustungen der Nachkriegszeit will sie mit Literatur aufbrechen, was bei den Kleinstädtern auf wenig Gegenliebe stößt. Doch gemeinsam mit zwei Freundinnen und einem Kunden der Buchhandlung stemmen sich die Frauen dem eisigen Schweigen mit Mut, Beharrlichkeit und Lebenshunger entgegen. Die Geschichte zeigt, wie sie gegen alle Widerstände ihr eigenes Leben behaupten. Eine berührende Geschichte über die Kraft der Literatur und den Widerstand gegen die Verdrängung der Vergangenheit. Auch hier wird, eingebettet in eine leichten, zugänglichen Geschichte, ein wichtiges, schwieriges, für manche immer noch sperriges Thema angegangen, das uns viel bewusster sein sollte, um diesen Teil unserer Geschichte zu verstehen.
Wie lassen sich nun diese Bücher mit dem 90. Jahrestag der Bücherverbrennung in Verbindung bringen? Indem sie zeigen, wie wichtig es ist, die Freiheit der Literatur zu bewahren und Bücher als Medium der Erinnerung und des Widerstands zu nutzen.
Bücher erinnern uns daran, dass wir die Freiheit haben, unsere Stimmen zu erheben und unsere Geschichten zu erzählen, auch in schwierigen Zeiten.
Büchern schaffen nicht nur bewegende Geschichten, sondern setzen auch ein wichtiges Zeichen. Indem sie uns daran erinnern, wie wertvoll Bücher sind. Wie wichtig es ist, für die Freiheit zu kämpfen, Literatur zu schaffen und zu lesen, denn sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der Erinnerungskultur und zur Stärkung unserer demokratischen Werte.
Patrick Tschan. Polarrot. Roman. Braumüller Verlag. Wien 2012. 345 Seiten. 21,90 Euro
(bei Piper im Taschenbuch)
Patrick Tschan. Schmelzwasser. Roman. Braumüller Verlag. Wien 2022. 345 Seiten. 25,- Euro

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