Cheon Myeong- kwan – Der Wal (weissbooks) [Kandidat Hotlist 2023]

Eine Familiengeschichte im Strom der Zeit

Im Grunde geht es in „Der Wal“ nicht direkt um einen Wal, sondern vielmehr um die Geschicke zweier Frauen im Wandel der Zeit in einem Land, dass selbst in den zurückliegenden Jahren viele Schicksalsschläge und Veränderungen durchmachen musste. Der titelgebende Wal ist dabei nur ein Symbol, eines von vielen, dass im Buch vorkommt. Der Titel häte auch Der Elefant oder Die Einäugige oder Die Ziegelkönigin lauten können. Alles treffende Beschreibungen eines überbordenden Buches, um das Leben zweier Frauen (Tochter und Mutter) in einer ländlichen Gegend Südkoreas vornehmlich in der zweiten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts aufzuzeigen.

Die Mutter, die Ziegelkönigin, der Elefant und Der Wal

Auch wenn das Figurenensemble in diesem Buch sehr umfangreich ist, spielen speziell zwei Frauen eine zentrale Rolle in der Vielzahl an Geschichten. Da wäre zum einen Kūmbok zu nennen, zu Beginn ein Mädchen vom Land, dass nur noch daran denkt, in die Stadt zu fliehen. Ihre Mutter hat sie früh verloren und der Vater ist nur ein Säufer. Da sie als Tochter langsam in das Alter kommt, in dem sie zur Frau wird, wirft der Vater immer öfter ein Auge auf sie. Also rennt sie mit dem Fischhändler bei einer Gelegenheit weg, als der mal wieder im Dorf seine verdorrte Ware anbietet.
Viele Umwege führen Kümbock in ein entlegenes Dorf, abgeschieden von der Zivilisation, wo sie aufgrund eines unerwarteten Geldsegens eine Ziegelfabrik eröffnet und so dem Ort zu Wohlstand und Wachstum verhilft. Doch diese Zeit verändert Kümbock immer mehr, sie wird zu einem gewissenlosen Etwas, die sich am Ende sogar in das männliche Geschlecht wandelt, da sie immer größere patriarchalische Züge annimmt. Unter diesen muss auch ihre Tochter Ch’unhŭi ganz besonders leiden. Sie wurde unter ominösen Umständen geboren und hat viele Züge an sich, die Kümbock an einen früheren Partner ihrerseits erinnern. So überlässt sie die Erziehung ihrer Tochter, die nicht sprechen kann und auch generell autistische Züge aufweist, lieber anderen und sie selber ist nur für die Züchtigung dieses aus ihren Augen seltsamen, nicht brauchbaren Geschöpfs zuständig.
Viele Jahre gehen ins Land, alle Menschen, Gegenstände und TIere, die ihr bekannt sind, sind schon tot. Ch’unhŭi kehrt an den Ort zurück, in dem sie ihr ganzes Leben verbracht hat. Sie musste eine Gefängnisstrafe absitzen, weil sie vermeintlich einen Brand gelegt hat, dem viele Menschen zum Opfer gefallen sind. Sie hat ihre Strafe verbüßt und richtet sich nun in der Ziegelfabrik ein, die einst ein großer Name war und an die sie die einzigen guten Erinnerungen hat, da sie das Brennen der Ziegel richtig gut beherrschte und sie in dieser Arbeit eine Art Frieden gefunden hat. Doch diese Ziegelfabrik ist nach den Ereignissen des Brandes selbstverständlich verlassen und sie denkt, wenn sie die Fabrik alleine wieder in Gang bringt, kommen alle wieder zu ihr zurück, die sie kannte. So wird sie zu einer traurig-einsamen Gestalt, die Ziegel um Ziegel herstellt, um ihr altes Leben damit wiederzubekommen.
Was der Wal und der Elefant für eine Rolle spielen? Und wer ist nun die Ziegelkönigin? Das muss müsst ihr schon von selbst herausfinden.

Überbordend, sagenhaft und phantastisch

Was Cheon Myeong-kwan mit Der Wal auf das Papier gezaubert hat ist mit den Worten „fantastisch“ schon fast noch untertrieben beschrieben. Es ist eine sagenhafte Welt, die er mit diesem Werk erschaffen hat und er zeigt mit seinen Mitteln auf eine Zeit Koreas, die von Krisen und Teilungen gebeutelt war und immer noch ist. Viele Abschnitte in diesem Buch erscheinen wie eine koreanische Sage oder ein Märchen in modernem Gewand. Da ist zum Beispiel eine sehr zurückgezogen lebende Frau, die all ihr Geld zusammenspart und niemandem davon abgibt, selbst ihrer Tochter nicht, auch nicht über den Tod hinaus. Diese Frau zum Beispiel spielt im gesamten Buch immer wieder ein wichtige Rolle und wirkt dabei mehr wie eine Art Hexe denn als Mensch.
So sind auch die Geschicke aller handelnden Figuren durch Elemente geprägt, denen man nur märchenhaften Charakter zuschreiben kann. Durch diesen „magischen Realismus“, der hier immer mal wieder durchscheint, fühlt man sich in bestimmten Passagen an einen Murakami erinnert. Das es aber hier etwas ganz anderes ist, wird einem ebenfalls mit jeder Zeile bewusst.
DIe Sprache wechselt immer wieder ihre Perspektiven, mal aus der dritten Person, als unbeteiligter Beocbachter der Szenerie, dann wieder ganz direkt, mal wie nebenbei, dann direkt im Getümmel, mal sanft und geradezu einlullend, dann wieder brutal und vollkommen schwermütig. Das alles vereint der Autor in diesem wundersamen Buch. Auf knapp über 500 Seiten entspinnt sich so eine fantastische Geschichte über das Leben zwei Frauen im Laufe der Zeiten über das Zwanzigste Jahrhundert und wie sich in dieser Zeit das Leben der Menschen in Südkorea veränderte. Da kommt viel auf einmal beisammen und manchmal ist man als Leser*in überfordert ob der ganzen Menge an Informationen, die da auf einen einprasseln und die mensch erst einmal verarbeiten muss. Insgesamt kann man dabei festhalten, dass es ein sehr herausforderndes Buch ist, auch weil es sich keiner Konvention unterordnen will und das auch gar nicht muss. Es darf alles sein und innerhalb dieser Begrenzung darf es auch alles machen, was der Geschichte zum Vorteil verhilft.
Bis auf wenige Ausnahmen wird hier zeitlich chronologisch erzählt und neben den zwei Frauen im Zentrum ein vielfältiges Ensemble an Figuren erschaffen, allesamt liebenswert und deren Schicksal geht teilweise wirklich nah. Außer das von Kümbock, dieses am Anfang etwas unnahbar wirkende Mädchen wird mit der Zeit zu einem unnachgiebigen Geschäftsmenschen, die nur den Gewinn und ihr eigenes Glück im Blick hat und dafür alles und jeden opfert, was ihr nicht wichtig erscheint. Das wirkt herzlos, ist es auch und bildet den großen Punkt ab, ohne den das Ende des Buches nicht möglich erscheint.
Für diese Geschichte muss man sich Zeit einplanen, um diese mit Genuss zu lesen. Es ist nicht einfach, in dieses Mysterium hineinzufinden, aber man kommt mit einem strahlenden Gesicht und jeder Menge Gedanken wieder heraus, die einen lange nach Lektüre noch beschäftigen. Ein Buch, dass wirklich seine Lorbeeren bisher verdient hat und auch wirklich der diesjährigen Hotlist gut zu Gesicht stehen würde.

Cheon Myeong-kwan
Der Wal

Aus dem Koreanischen von Matthias Augustin und Kyunghee Park
Weissbooks
512 Seiten
28 Euro


Ihr möchtet den Titel von der Longlist auf die Shortlist der Hotlist katapultieren? Gerne hier abstimmen!

Hier erfahrt ihr mehr über die Hotlist, einem wichtigen Instrument, um das zu zeigen, was die unabhängigen Verlage für den Reichtum, die Qualität und den Erfolg der Buchkultur im deutschsprachigen Raum leisten.

Bis zum 27. August können alle über die Hotlist 2023 mitentscheiden. Die drei Bücher mit den meisten Stimmen bei der Wahl erhalten einen garantierten Platz auf der Liste der zehn Bücher des Jahres (sieben weitere entscheidet gleichzeitig die Jury). 30 Kandidaten (ausgewählt vom Kuratorium aus 196 Einsendungen) stehen zur Wahl (Vote here!).


Im Folgenden präsentieren wir euch noch ein Interview, dass Marc mit dem Verleger Martin Brinkmann via Email geführt hat. Wir wünschen euch viel Spaß mit einem weiteren informativen und gehaltvollen Interview im Rahmen der Hotlist 2023.

Seit wann gibt es euren Verlag und was hat euch bewogen, diesen vor einigen Jahren vom
Unionsverlag heraus wieder auf eigenständige Füße zu stellen?

Wie die Frage schon andeutet, hat der Verlag eine Geschichte, die vor uns begonnen hat.
Und zwar wurde er 2008 von dem ehemaligen Suhrkamp-Lektor Rainer Weiss und der
Marketingexpertin Anya Schutzbach unter dem Namen weissbooks.w in Frankfurt
gegründet. 2019 dann schlüpfte er beim Unionsverlag in Zürich unter, ehe er – und jetzt
kommen wir uns Spiel – 2021 mit neuen Besitzern als unabhängiger Verlag in Berlin
wiederbelebt wurde, mitsamt der Backlist. Eigentliches Gründungsjahr ist also 2008. Seit
dem 2.2.2021 firmiert der Verlag allerdings unter Weissbooks Verlagsgesellschaft mbH,
Berlin.

Was uns bewogen hat: der Wunsch, einen so vielseitig und literarisch spannenden
Verlag wiederzubeleben, nachdem er etwas durchgeschüttelt und mit unbekanntem
Ziel in der Schweiz zwischengeparkt war. Uns war schnell klar, dieses Juwel darf nicht
verschütt gehen
.

Mit welchen Voraussetzungen seid ihr in dieses Abenteuer gestartet? Welche Ziele und Vorgaben habt ihr euch gegeben und welche Art von Buch, welche Arten von Geschichten habt ihr euch vorgestellt zu verlegen?

Weissbooks ist seit jeher der Verlag für zuverlässige Überraschungen. Vor allem
die jüngste Vergangenheit beweist, dass auch das neue Weissbooks sich den
Riecher für das Besondere bewahrt hat, für das besonders andersartige, das
anziehend skurrile und aufregend verstörende (welt-)literarische Groß- oder Klein-
Ereignis.

Was waren eure bisherigen Highlights, seit ihr den Verlag führt?

Oh, wir brachten etwa im Frühjahr 2022 die bislang als unübersetzbar geltende
Garielle (früher: Gary) Lutz mit ihren „Geschichten der übelsten Sorte“, mit
überwältigenden Reaktionen (etwa auf ZEIT online), zumal sich im Gefolge der
Nobelpreisbekanntgabe herausstellte, dass Lutz erstmals auf der Liste desjenigen
Wettanbieters weit oben stand, der stets die richtigen Kandidat:innen führt.

Ebenso erfreulich ist die Entdeckung eines modernen Klassikers aus Korea (im
Herbstprogramm 2022), „Der Wal“ von Cheon Myeong-kwan, ein Roman, dessen
nahezu parallel erschienenen englische Übersetzung es bis auf die Shortlist des
International Booker Prize
geschafft hat und unsere Übersetzung auf die
Litprom-Weltempfänger-Liste im Frühling 2023.

Das Hauptaugenmerk gilt allerdings der deutschsprachigen Literatur, u.a. der Berliner Facebook-Poetin Elisa Aseva (Herbst 2021), die nach Erscheinen ihrer Sammlung „Über Stunden“ einen kleinen „Kommunismus“-Skandal auslöste, oder der österreichischen Autorin
und Geschichtsvermittlerin Sabine Scholl (Frühjahr 2022), die in diesem Jahr den
Preis der Stadt Wien erhalten hat und nicht zuletzt Iunona Guruli, die zwar
Georgierin ist, aber seit zwanzig Jahren in Deutschland lebt und auf Deutsch
schreibt. Ihr Roman „Brief ohne Absender“ erscheint im Herbst.

Welche Themenschwerpunkte setzt ihr euch aktuell für den Verlag? Oder grabt ihr einfach nach interessanten Werken, die ihr einfach gerne bei weissbooks sehen wollt?

Wir machen Literatur aus Deutschland und der Welt. Mit Mut, Hingabe und
Präzision. Für all jene, die mehr erwarten als gängige Stoffe zwischen zwei
Buchdeckeln.

Nun zu dem Titel „Der Wal“, dass in diesem Jahr den oben schon angesprochenen Würdigungen nun auch im erweiterten Kreis der Hotlist gelandet ist. Das Buch ist im Original schon vor knapp 20 Jahren erschienen (2004 um genau zu sein). Wie seid ihr auf dieses Buch aufmerksam geworden? Und warum war letztes Jahr im Herbst die Zeit reif für genau dieses Buch?

Der Dolmetscher und Übersetzer Matthias Augustin und seine Partnerin Kyunghee Park,
ebenfalls Übersetzerin, waren frisch nach München gekommen, als im pandemiebedingten
Homeoffice die Zeit der liebsten Nebenprojekte anbrach. So landete die Übersetzung einer
Kurzgeschichte mit dem Titel „Feierabend“ von Cheon Myeong-kwan auf meinem
Schreibtisch. Die hat mich in meiner Funktion als Herausgeber der Literaturzeitschrift
„Krachkultur“ echt umgehauen – diese raue, ursprünglich gewalttätige, zusätzlich
kapitalistisch verrohte und verdorbene Squid-Game-Stimmung macht große Lese-Laune.
Als wir dann die ersten Kapitel in Probeübersetzung von „Der Wal“ zu lesen bekommen
habe, war sogleich klar: Das wollen wir haben, das ist so außergewöhnlich, so brachial und
sanft auf einmal, so gut lesbar und formal aufregend dabei.

Dieser Roman wirkt nach dem Lesen eher ungewöhnlich in eurem Programm. Was hat euch an dieser Geschichte gereizt und wie passt es in das Portfolio eures Verlags?

Der Roman würde in jedem Programm ungewöhnlich wirken, denn er ist ungewöhnlich,
wenn nicht außerordentlich! Ist er nicht genau das, was wir versprechen: eine
Überraschung? Wir machen in jedem Fall weiter, der zweite Roman des Autors ist für den
Herbst 2024 eingeplant: „Eine Bumerangfamilie“.

Alles an diesem Text schreit nach asiatischer Literatur (was nicht despektierlich gemeint ist). Alle Elemente von diesem Roman könnten auch aus der Feder eines Murakami entsprungen sein. Wie habt ihr euch diesem Text angenähert? Wie schwierig war es, diesen ins Deutsche zu übertragen? Wie groß sind Unterschied eim Ton zwischen dem Original und der Übersetzung?

Das ist doch ein tolles Lob. Als den koreanischen Murakami haben wir ihn verlagsintern
häufig bezeichnet. Da ich selbst kein Wort Koreanisch kann, muss ich die Frage an das
Übersetzerpaar weitergeben, was heißt Frage? -: die großen Lobeshymnen, diese schwierige
Aufgabe offenbar bravourös gemeistert zu haben!

Anmerkung We read Indie: Die folgenden Zeilen sind von einem der Übersetzer Matthias Augustin und beziehen sich auf die vorige Frage.

Den Vergleich mit Murakami kann ich – zumindest von dem ausgehend, was ich von ihm gelesen habe – für Cheon Myeong-kwan im Falle seiner Kurzgeschichten (z.B. die unlängst auf Deutsch in der Krachkultur erschienene Geschichte „Neunzehn“) durchaus nachvollziehen, für den „Wal“ aber, ehrlich gesagt nicht so ganz.  Dort geht Cheon auf recht eigenwillige Art an seinen Stoff heran, indem er diverse Textgattungen munter miteinander kombiniert. Da sind Passagen von hohem literarischem Niveau, eher lakonisch-ruhig erzählt, dann wird es absichtlich reißerisch, fast groschenromanmäßig oder auch comicartig, und man merkt eben auch, dass Cheon nicht nur Autor, sondern auch Filmschaffender und -fan ist, und das durchaus auch in Mainstream- Kinogenres wie Actionthriller oder Martial Arts. Dazu kommt der Kniff mit den Einschüben, in denen sich der Erzähler als kommentierender Sprecher in den Text hineinschmuggelt, wohl auch auf Erzähltraditionen des traditionellen koreanischen Pansori zurückgreifend. Eine recht bunte, wilde Mischung also. Das kenne ich so von Murakami nicht, aber vielleicht gibt es ja doch vergleichbare Arbeiten von ihm? 

Wie die Annäherung an den Text war, und wie schwierig es war, ihn ins Deutsche zu übersetzen? Zunächst ganz kurz gesagt: Es war hauptsächlich ein großes Vergnügen, da der Text so mitreißend und gut geschrieben ist. Da vergisst man die Mühe, die es natürlich auch bereitet, einen 500 Seiten dicken Backstein von Roman zu übersetzen. Aber die einem von der Coronapandemie auferlegte Zeit der Stille und Muße half da auch. Mir ging es bei der Arbeit ähnlich wie der Übersetzerin, die den „Wal“ ins Englische übertragen hat, und dazu sagte:

„It’s funny how Mr. Cheon says he wrote the book as if someone were dictating it to him, because translating it was a similar experience.“

Wie groß die Unterschiede im Ton zwischen dem Original und der Übersetzung sind? Gering, würde ich sagen (und hoffen). Denn zum einen macht Cheon dem Übersetzer die Freude, Sätze zu schreiben, an denen man kaum etwas umstellen muss, um sie auch im Deutschen klingen zu lassen. Zum anderen sind auch der Stoff und die Handlung, obwohl eng mit der koreanischen Geschichte verknüpft, doch ganz universeller Art, daher gab es eigentlich keine Stellen, die so „exotisch“ wären, als dass sie größere stilistische Umarbeitungen erfordert hätten. Der oben erwähnte Stilmix stellt einen manchmal schon vor Herausforderungen, aber als Übersetzerduo haben wir sehr aufmerksam auf diese Brüche und Übergänge geachtet; unser Ziel war es definitiv, dem „Originalsound“ so nahe zu kommen wie möglich. 

Welche Passagen/welche Charaktere des Romans gefallen euch am Besten?

Mir persönlich gefällt der Lkw-Fahrer am Ende des Romans am besten. Er schaut
gelegentlich bei der zerfallenen Ziegelfabrik vorbei, in der sich eine der beiden Heldinnen
des Romans, Ch’unhŭi, nach ihrem Gefängnisaufenthalt versteckt hält – zu kompliziert, das
jetzt alles zu erklären. Jedenfalls entspinnt sich ein erotisches Liebesverhältnis zwischen den
beiden. Als er das letzte Mal mit seinem Laster wieder davonfährt, fällt ihm ein, dass er ja
genauso gut bleiben könne. Auf der Rückfahrt verunglückt sein Auto. Die schwangere
Ch’unhŭi bleibt untröstlich zurück. Später verliert sie noch ihr Kind bei einem
Schneetreiben. Es ist alles so traurig, aber gleichzeitig erhebend, weil in ihren Visionen auch
der Elefant ihrer Kindheit wieder auftaucht und mit ihr spricht – zwischen Kloß im Hals und
liebenswertem Kitschalarm steigert sich der Roman zu einem furiosen Finale, in dem
außerdem ganz viele Ziegelsteine eine Rolle spielen.

Das Buch ist mittlerweile auf der Bestenliste des Weltempfängers gelandet, wurde für den
International Booker Prize nominiert und steht nun auch auf der erweiterten Auswahl zur
diesjährigen Hotlist. Wie wichtig ist euch der Erfolgt für genau dieses Buch und habt ihr generell damit gerechnet?

Nein, damit haben wir nicht gerechnet und konnten wir auch nicht rechnen. Im Nachhinein
verwundert es nicht. Es gibt diese Romane, die erst von einer späteren Generation so richtig
entdeckt werden. Angeblich passiert das momentan in Korea, dass die jungen Menschen das
Gefühl haben, hier werde ihnen etwas erzählt, das mit ihrem Leben und Fühlen zu tun hat.
Bei uns (und wohl auch in UK/USA) ist es eher nicht allein der Reiz des Exotischen, der für
den Roman einnimmt. Auch das Umfeld des Autofiktionalen, in dem wir uns seit einigen
Jahren befinden, ist wohl auf Dauer zermürbend: noch jemand, der sich an Oma, Opa, Tante,
Onkel erinnert – das fordert eventuell ein Gegeninteresse heraus an wilden Geschichten, in
denen koreanische Mythen und Walt-Disney-Elefanten miteinander Martial-Arts-Gefechte
inszenieren.

Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen und wir drücken euch die Daumen, dass euer Buch auf die diesjährige Hotlist gewählt wird.

Und hier noch ein paar Links zum Buch bzw allgemeine Infos rund um den Weissbooks Verlag und Informationen, die im Interview stehen:

Eine Antwort auf „Cheon Myeong- kwan – Der Wal (weissbooks) [Kandidat Hotlist 2023]

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