Adelle Waldman: Das Liebesleben des Nathaniel P.

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»Ein weiblicher Blick in die männliche Seele.«

Meistens schreiben Männer über Männer oder Frauen über Frauen. Doch es gibt auch Ausnahmen. So wie »Das Liebesleben des Nathaniel P.« von Adelle Waldman, in dem die Autorin mit der Stimme eines männlichen Protagonisten erzählt. Das Werk hatte sich schon kurz nach seinem Erscheinen vor zwei Jahren in den USA zu einem der meist diskutierten Romane entwickelt. Das hat die Klappentexterin natürlich neugierig gemacht. Und das Innenleben von Männern an sich ist ja sowieso ein spannendes Feld.

Bei manchen Büchern ist das so: Ich lese sie kurz an, befinde sie für nicht ansprechend oder interessant, lege sie dann aber erstmal zur Seite, um mich weiter durch die Neuheiten zu arbeiten. In diesem Fall blieb ich bis zum Schluss am Ball – mit durchaus unterschiedlichen Gefühlen. Überrascht und irritiert bin ich immer noch, dass mir der Protagonist Nathaniel (im Roman stets nur Nate genannt) sympathisch geworden ist. Wenngleich es durchaus zahlreiche Momente gibt, in dem ich ihn in einen Mixer werfen und durchschütteln lassen möchte.

Nate frönt dem Bohèmeleben mitten in New York. Nach seinem Harvard-Abschluss hat er sich ganz fürs Schreiben entschieden. So verfasst er für verschiedene Magazine Essays und Buchbesprechungen. Die Anfänge waren gerade in finanzieller Hinsicht hart, aber Nate hat sich durchgeboxt und bewohnt eine kleine Bude in Brooklyn. Nach dem Verkauf seines ersten Buches, das demnächst erscheinen soll, sieht es auf dem Konto nicht mehr so finster aus. Wobei – eine Krankenversicherung hat er trotzdem nicht. Das gehört zu seiner inneren Haltung.

Sein Liebesleben ist bestimmt durch wechselnde Frauenbekanntschaften, oft nur für eine Nacht. Eine Beziehung braucht er nämlich gar nicht, weil er rundum zufrieden ist mit seinem Leben. »Seine Arbeit füllte ihn aus, und seine Freunde lieferten ihm die Gespräche und Geselligkeit, die er brauchte. War das so falsch? Wieso kamen Frauen immer damit durch, Männer dafür zu pathologisieren, dass sie keine Beziehung wollten?« Aus seiner Sicht wollen Frauen doch eigentlich nur jemanden, der mit ihnen gemeinsam kocht und ihnen als liebevoller Partner mit dem Geschirrtuch auf dem Hintern schlägt. Harte Worte, ehrliche Gedanken. Nate genügt sich einfach selbst, für ihn reicht es, einsam eine Tiefkühlpizza zu essen. Punkt.

Nun, Gedanken hin oder her. Was ist aber, wenn Gefühle ins Spiel kommen? Das passiert, als Nate auf die selbstbewusste Hannah trifft, die nach dem ersten Date nicht sofort mit ihm ins Bett springt und ihn auf Abstand hält. So entwickelt sich zwischen beiden eine tiefere und ernste Beziehung. Und – welch Wunder – Nate ist plötzlich produktiver, ausgelassener und spürt sogar auf Partys, wie entspannt es ist, wenn man nicht auf der Suche nach einem Abenteuer für die Nacht ist. Die Veröffentlichung seines Buches naht. Ja, alles wunderbar und doch fällt Nate urplötzlich in ein schwarzes Loch, das ihn verwirrt und eine zerstörerische Kraft hat. Viel mehr glaubt er an ein Loch, obwohl da eigentlich keins ist. Das ist so was von paradox, wie auch die vielen Gedankenströme, die durch ihn hindurchrasen und all die schönen Blumen aus dem Rasen reißen.

Adelle Waldman hat einen Protagonisten geschaffen, der mich an Schmirgelpapier erinnert – da besteht enorm viel Reibungsfläche. Es wird viel geschubbert und ja, vieles zwischen Männlein und Weiblein hin- und hergedacht und ausgesprochen. »In der Regel suchen Männer nach einem Grund, die Beziehung zu beenden, wohingegen Frauen nach einem Grund suchen, sie weiterzuführen.« So lautet eine von seinen vielen Theorien. Oder ist es gar eine Tatsache?

Wir Frauen kommen ebenfalls zu Wort. Nate pflegt weibliche Freundschaften, mit denen er nicht ins Bett geht. Besonders gern trifft er sich mit Aurit und führt mit ihr ausführliche Gespräche. Dies sind übrigens schöne Momente in diesem Roman, wenn sich Mann und Frau, Mann und Mann oder auch Frau und Frau untereinander geistreich austauschen. Ob im Café, in einem angesagten Lokal bei viel zu teurem Essen, auf einer Party oder zu Hause auf der Couch. Es ist ein buntes, anregendes Intermezzo und man hört gern hin. Gerade Großstadtmenschen werden sich mit diesem Roman anfreunden. Und New York-Fans sowieso.

Nicht zuletzt durch den witzigen Ton der Autorin entpuppt sich diese Geschichte als äußerst mitreißendes und sehr interessantes Unterfangen, nach dem frau den großen Wunsch verspürt, sich unbedingt darüber zu unterhalten. Ja, Nate, wie Recht du doch hast: »Seiner Meinung nach legten Frauen, wenn sie erstmal angefangen hatten, ein unersättliches Bedürfnis an den Tag, zu gestehen, zu erläutern, zu offenbaren und so weiter.« So erging es mir mit diesem Buch. Aber vielleicht ja auch nur, weil hier aus der Sicht einer Frau in die männliche Seele geschaut wurde. Wer weiß das schon?

Adelle Waldman: Das Liebesleben des Nathaniel P. Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Liebeskind, Juni 2015, 304 Seiten, 19,90 €.

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