Es war einmal ein Virus…

… und alle wurden zu Hause eingesperrt. Was wie ein für uns alle bekanntes Szenario klingt hat Florian L. Arnold in eine Novelle gepackt und enorm in eine sehr ungünstige Entwicklung weitergedacht. Das Schlimmstmögliche ist eingetroffen und die Beherrschung des Virus ist nicht gelungen. Der Name des Virus wird zwar nicht genannt und auch der Verlauf der Krankheit wird andeutungsweise anders dargestellt, als die Pandemie, die wir durch Corona erleb(t)en. Allerdings erscheinen einem die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie recht bekannt, zumindest die, die am Anfang standen. Dieses Szenario hat der Autor weiter gedacht und zwar so, dass es einem den Hals zuschnürt. Dazu hat er eine simple Ausgangslage geschaffen, die er in dieses Szenario packt und wir uns anhand dem Fortschreiten der Geschichte ein Bild machen können von dem, was vorgefallen sein mag und was richtiggehend schief gegangen ist, in der Politik und der Gesellschaft.

Die Straßen liegen verlassen da

Die Geschichte handelt von einem unbekannten, wohl älteren Mann, der in seiner Wohnung seitens des Staates gefangen gehalten wird, so wie alle Bürger*innen des Landes. Warum? Eine Pandemie hält schon seit längerer Zeit die Welt in Atem und die Maßnahmen, um diese in den Griff zu bekommen, wurden immer drakonischer, bis der Regierung nur noch das Mittel übrig blieb, ihre Bürgerinnen und Bürger staatlich beaufsichtigt in ihre Wohnungen wegzusperren und dort zu versorgen. Keiner darf mehr vor die Tür, alle bleiben zu Hause. Aus dieser Tristesse bricht der Mann ohne Namen nach einer nicht näher bestimmtrn Zeitspanne aus und atmet endlich wieder frei. Allerdings bleibt sein Ausbruch nicht unbemerkt und er wird verfolgt, was wir als Leser*innen nur in den angstvollen Gedanken des Mannes mitbekommen. Ob das wirklich so passiert, wird nicht aufgeklärt. Auf seinen Wegen durch die einsamen Straßen einer namenlosen Stadt trifft der Mann auf ein Kind und beide haben Angst voreinander. Der Mann, weil er weiß, welches Risiko von einem Kind ausgehen kann (sie sind in dieser Geschichte die mit dem größten Übertragungsrisiko und die Erwachsenen mit der größten Sterberate) und das Kind hat Angst davor, gefangen genommen und verschleppt zu werden, um für Experimente zu dienen, die bei der Erforschung eines Impfstoffes helfen sollen. Doch selbstlos hilft der Mann dem verletzten Kind und versorgt es, obwohl beide um das beiderseitige Risiko wissen.
Doch etwas treibt den Mann weiter an. Als er eine Straßenbahn findet, die von einem Mann namens Garham gefahren wird, kommt er zur Ruhe, findet bei diesem Mann Unterschlupf. Die Straßenbahn transportiert keine Gäste mehr, sondern dient nur noch dem Zweck vertraute Geräusche zu erzeugen, damit die Menschen noch etwas aus der Vergangenheit haben, an das sie sich festhalten können. Aus dem erst misstrauischen Abtasten der zwei Männer wird alsbald ein vertrautes Gespräch und es kommen Dinge ans Tageslicht, die alles zuvor erzählte in noch düsteren Schattierungen erscheinen lassen, als sie überhaupt schon waren. Insbesondere der Unbekannte hat eine Schuld auf sich geladen, die für zwei Leben reicht.

Es braucht keinen Coronaroman, diese Novelle reicht aus

Mit „Die Zeit so still“ hat Florian L. Arnold eine Novelle geschrieben, die während der ersten Lockdownphase zur Coronapandemie entstanden ist. All diese Erfahrungen, die wir in dieser Zeit gemacht haben, hat der Autor in diesem extrem weit gedachten Szenario sehr  verdichtet aufgeschrieben. Da war von einem zweiten, fünfmonatigen Lockdown noch keine Rede und auch die weiteren Diskussionen, die wir nun durch das Impfen haben, waren es noch Zukunftsmusik. Doch manche Situation wir in dieser Novelle angerissen beziehungsweise vorausgedacht, was sehr erschreckend wirkt, wenn man diese Novelle im Rückblick liest. Dabei spielt die Geschichte des Mannes, dessen Flucht wir verfolgen, eher eine untergeordnete Rolle. Vielmehr sind wir durch dessen Augen Zeugen von einer Welt, die dem Untergang geweiht scheint, zumindest hat es sehr dystopische Züge. Der Autor hat nach eigenem Bekunden diese Geschichte mit den Erfahrungen aus der ersten Phase dieser Pandemie niedergeschrieben, ohne einen großen Plot dafür entwickelt zu haben. Wozu sich, denn die Realität gab genug Schrecken preis, um dem Horror freie Bahn zu lassen. Im Nachgang liest sich diese in die Novelle gegossene Angst natürlich mit einem gewissen Erleichtern, da wir wissen, dass es doch anders gekommen ist. Jedoch: Wissen wir, wie zukünftige Pandemie ablaufen werden? Sind die Menschen dann vernünftiger? Wahrscheinlich nicht ind wenn man bedenkt, dass es noch schlimmere Viren als SARS-CoV-2 gibt, dann wirkt das von Florian L. Arnold entwickelte Szenario gar nicht mehr so abwegig.

Florian L. Arnold
Die Zeit so still
Mirabilis Verlag
108 Seiten
16 Euro

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